Künstliche Intelligenz im Handel – was kann der Großhandel vom Einzelhandel lernen?
Wie wird künstliche Intelligenz (KI) im Einzelhandel eingesetzt und was kann der Großhandel davon mitnehmen?
In diesem Beitrag beschreibe ich einen realen Beispielfall von künstlicher Intelligenz im B2C-Einzelhandel. Sie erfahren, was die Möglichkeiten und die Herausforderungen beim Einsatz von KI-Systemen waren.
Besonders interessant ist natürlich, welche Faktoren sich dabei auf den B2B-Großhandel übertragen lassen.
Künstliche Intelligenz im Einzelhandel – Praxisbeispiel anhand eines Schuhgeschäftes.
Ein kleines, inhabergeführtes Schuhgeschäft hat sich auf den Verkauf von Sportschuhen für den Laufsport spezialisiert. Dazu gehört auch eine Bewegungsanalyse auf dem Laufband mit entsprechender Vermessung und Analyse des Abrollverhaltens beim Laufen inklusive entsprechender Video-Aufnahmen. Hier werden auch Fehlstellungen erkannt. Die Unterschiede zwischen dem Laufen auf einem Laufband und dem Laufen auf Asphalt oder Naturboden sind den geschulten Verkäuferinnen und Verkäufern dabei bewusst und gehen in die Analyse mit ein. Dadurch ist eine markenunabhängige Beratung des Kunden möglich.
Vom Kunden werden – sofern er zustimmt – eine Reihe von Daten erfasst:
• Adresse
• Telefonnummern
• E-Mail-Adresse
• Schuhgröße
• Schuhweite
• Verkaufter Schuh
• Andere Verkäufe (bspw. Kleidung)
• Kaufdatum
• div. Nutzungsdaten (bspw. Sportart, Laufstrecke, Häufigkeit,
Fehlstellungen im Fuß/Gelenk, usw.)
Diese Daten werden im ERP-System erfasst. Bei zukünftigen Besuchen des Kunden stehen die Daten dem Verkäufer zur Verfügung. Eine weitere Nutzung der Daten erfolgt nicht.
Möglichkeiten und Grenzen der KI-Systeme im Einzelhandel
Der Einsatz einer KI mit Predictive Analytics bietet zahlreiche Möglichkeiten, diesen Schatz an Daten zu erheben. Insbesondere auch im Hinblick darauf, dass Laufschuhe, die auch tatsächlich für den Laufsport genutzt werden, regelmäßig erneuert werden müssen. Dies spielt bei Kunden, die die Schuhe aus rein modischen Erwägungen heraus kaufen, keine Rolle. Das Verhalten von Kunden, die die Schuhe als Mode-Accessoire kaufen, lässt sich daher auch wesentlich schlechter vorhersagen.
Zur Kundenbindung können Newsletter und Werbung per E-Mail und/oder SMS eingesetzt werden. Anhand der Daten kann die KI sowohl in den Werbemaßnahmen als auch beim Besuch des Kunden im Laden bereits Vorschläge für das nächste Paar Laufschuhe machen. Damit wird die Werbung deutlich stärker personalisiert. Auch zielgerichtete Aktionen zum Cross- und Up-Selling sind möglich.
Dank Predictive Analytics kann der Kauftermin für das nächste Paar Schuhe ziemlich exakt eingegrenzt werden. Werbeaktivitäten können also auf diesen Zeitraum beschränkt werden. Das erhöht nicht nur die Trefferquote, sondern senkt gleichzeitig auch die Kosten. Durch weniger, aber gezieltere Werbung wird die Werbung auch nicht mehr als Belästigung angesehen.
Ein weiterer Vorteil ergibt sich im Einkauf. Wie man als Kaufmann ja einmal gelernt hat, „im Einkauf liegt der Gewinn“. Da dank Predictive Analytics ziemlich präzise vorhergesagt werden kann, was verkauft wird, lässt sich aus den Zahlen auch ableiten, was eingekauft werden muss, plus was der Inhaber meint, noch zusätzlich verkaufen zu können oder als Reserve halten zu müssen. So können Sie einem Lieferengpass entgegenwirken – oder – dem genauen Gegenteil: weniger Ware, die zu Sonderpreisen abgegeben werden muss, um das Lager zu räumen. Das Geschäftsergebnis dürfte sich also verbessern.
Auch ohne das hier erfolgende Sammeln von personenbezogenen Daten ist ein KI-System mit Predictive Analytics auch in anderen Bereichen des Einzelhandels durchaus sinnvoll. Anhand der Verkaufsdaten der Vergangenheit ist das System in der Lage, eine recht treffsichere Vorhersage über die zu erwartenden Verkäufe zu machen. Auch hier lassen sich dann die Zahlen für den Einkauf ableiten.
Im Bereich der Mode kann ein KI-System allerdings nicht den Instinkt für Mode ersetzen, über den der Inhaber verfügen sollte.
Eine weitere Einschränkung ist irrationales Verhalten der Kunden oder externe Einflüsse, die nicht vorhersehbar sind. Für letzteres erinnere ich nur an die Pandemie. Weder die Pandemie noch die vom Staat verfügten Einschränkungen im Handel waren vorhersehbar.
Bezüglich irrationalem Verhalten kann man bspw. Influencer oder Personen des öffentlichen Interesses anführen. Wenn ein Influencer z.B. ein paar Sneaker empfiehlt und diese bei zig Tausenden Follower*innen auf einmal „must haves“ werden, ist dieses Verhalten für den Einzelhandel weder durch Menschen noch durch eine KI vorhersagbar.
Übertragung auf den Großhandel
Viele Punkte, die im Einzelhandel gelten, gelten naturgemäß auch für den Großhandel und lassen sich daher übertragen.
Ein ganz wesentlicher Unterschied allerdings, sollte der Großhändler ebenfalls ein KI-System mit Predictive Analytics einsetzen, wird sich die Datenbasis deutlich von der des Einzelhändlers unterscheiden.
Die Daten des Großhändlers basieren auf früheren Bestellungen (historische Verkaufsdaten). Die Daten des Einzelhändlers (im oben genannten Fall) basieren auf den Angaben der Kunden – ergänzt durch die Stückzahlen, die der Inhaber zusätzlich erwartet, verkaufen zu können. Doch beide Datengrundlagen führen durch Predictive Analytics zum Ziel, die zu erwarteten Verkäufe und das Kundenverhalten vorherzusagen.
Auch für den Großhändler gilt es, dass das Vertriebsteam durch seine Kundenerfahrungen über einen ausgeprägten Instinkt verfügt, der nicht unterschätzt werden darf. Über diesen Instinkt kann keine KI – die ja im Endeffekt ein Computerprogramm ist – verfügen. Der Mensch wird immer das Ruder in der Hand halten.
Und der letzte Punkt, der ebenfalls vom Einzelhandel auf den Großhandel zu übertragen ist, betrifft die unvorhersehbaren Ereignisse und irrationales Kaufverhalten. Beides lässt sich von dem besten KI-System nicht vorhersagen.
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Künstliche Intelligenz im Handel – Fazit
Ein KI-System kann im Einzel- und Großhandel deutliche Vorteile, sowohl im Verkauf als auch im Einkauf bieten. Allerdings beschränkt sich dies auf das „Standardsortiment“ und ein hochspezialisiertes Sortiment in einer kleinen Zielgruppe. Unvorhersehbare Ereignisse kann auch eine KI nicht erkennen und berücksichtigen. Auch kann keine KI den Instinkt oder das Gefühl für Modetrends ersetzen. Das sind Bereiche, die weiterhin nur der Mensch liefern kann.